Onkologische Kompetenz: Verbesserte Heilungschancen durch Fortschritte in Diagnostik, Therapien und Medizintechnik

04.02.2023
Prof. Dr. Utz Krug

Interview mit Prof. Dr. Utz Krug, Leiter des Onkologischen Zentrums am Klinikum Leverkusen, zu Fortschritten in der Behandlung und Vorsorgeuntersuchungen

Jedes Jahr erkranken rund 500.000 Menschen in Deutschland an Krebs. Die Deutsche Krebshilfe und die Internationale Vereinigung gegen Krebs (UICC) setzen sich seit Jahrzehnten für den Kampf gegen Krebs ein. Am heutigen Weltkrebstag, der zum 23. Mal stattfindet, lautet das Motto: Versorgungslücken schließen“.

 

Herr Prof. Krug, welche Aufgabe hat so ein Weltkrebstag?

Krebs ist eine Krankheit, die für die Betroffenen und deren Umfeld immer einen tiefen Einschnitt in ihr Leben bedeutet, mit der sich aber die Menschen, solange sie gesund sind, meist nicht beschäftigen. Ziel des Weltkrebstages ist es, die Öffentlichkeit für die Erkrankung zu sensibilisieren und vor allem auch Präventionsmaßnahmen aufzuzeigen.

 

Was sind die wichtigsten Risikofaktoren für Krebs?

Da sind auf jeden Fall Alkohol und Nikotin zu nennen. Rauchen erhöht nicht nur das Lungenkrebsrisiko, sondern das Risiko für viele Krebsarten – von Bauchspeicheldrüsenkrebs über Blasenkrebs bis hin zu Leukämien. UV-Strahlung ist für das Auftreten von Hautkrebs verantwortlich. Daher sind ein konsequenter Sonnenschutz und das Vermeiden exzessiver Sonnenbäder wichtig. Übergewicht ist ebenfalls schlecht: Bewegung und ballastreiche Ernährung beugen einem Krebsrisiko vor.

 

Gibt es Symptome, die auf eine Krebserkrankung deuten?

Ja, es gibt viele unterschiedliche Symptome, die aber nicht zwangsläufig Krebs als Ursache haben: Ungewollter Gewichtsverlust, ständiges Schwitzen, vor allem nachts, abendliches Fieber, ein nicht erklärbarer Leistungsknick, chronischer Husten, Schluckstörungen oder Appetitlosigkeit, eine Gelbverfärbung der Augen oder der Haut oder Änderungen der Stuhlgewohnheiten sind einige Symptome, die eine Krebserkrankung anzeigen können. Bei solchen Veränderungen sollte man zur Abklärung den Hausarzt aufsuchen. Generell empfehle ich außerdem, die angebotenen und gesetzlich empfohlenen Krebsvorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen.

 

Ab welchem Alter sind Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll?

Die Darmkrebsvorsorge mit Darmspiegelung ist ab 55 Jahren sinnvoll. Die Haut sollte ab 35 Jahren alle zwei Jahre untersucht werden. Frauen sollten ab 20 Jahren zur Gebärmutterhalskrebsvorsorge gehen. Ab dem 30. Lebensjahr haben sie Anspruch auf eine Brustkrebsvorsorge. Hier empfehle ich allen Frauen, zusätzlich auch selbst die Brust regelmäßig abzutasten, um Veränderungen frühzeitig festzustellen. Männer haben ab dem 45. Lebensjahr Anspruch auf eine jährliche urologische Untersuchung.

 

In vielen Bereichen der Medizin verzeichnen wir enorme Fortschritte, auch in der Onkologie?

In der Tat haben wir in den letzten Jahren dramatische Fortschritte gemacht. Ein Beispiel aus der Praxis ist der Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium: Bis vor ein paar Jahren kam nur eine Chemotherapie in Frage kam mit begrenztem Effekt. Heute kennt man die unterschiedlichsten Genveränderungen dieser Tumoren und kann abhängig davon Medikamente zielgerichtet einsetzen, die das Tumorwachstum stoppen oder das Immunsystem gegen die Krebserkrankung aktivieren können.

Oder die Medizintechnik, die neue Möglichkeiten bietet: Wir arbeiten beispielsweise im Klinikum mit dem roboterassistierten Operationssystem da Vinci. Es ermöglicht ein extrem präzises und damit schonenderes Operieren von Tumoren, beispielsweise in der Urologie. Für den Prostatakrebs können wir durch die MRT-Fusionsbiopsie die Präzision der Diagnostik deutlich erhöhen. Bei beiden Verfahren gehören wir deutschlandweit zu den Vorreitern.

Ein anderes Beispiel ist die enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachabteilungen. So gibt es bei uns am Klinikum in Leverkusen die sogenannte Tumorkonferenz: Ein interdisziplinäres Team stimmt sich über individuelle Behandlungskonzepte ab – ganz gezielt auf die jeweilige Erkrankung und die Bedürfnisse der jeweiligen Patienten.

Aber nicht nur die Behandlung selbst, auch das „drumherum“ ist wichtig, wenn ich das mal so salopp sagen darf.

 

Was meinen Sie damit?

Die begleitende und unterstützende Aufklärung und Behandlung ist unheimlich wichtig für den Therapieerfolg. Ein Patient, der beispielsweise für den Umgang mit seiner Krebserkrankung sensibilisiert und geschult wird, lebt messbar länger als ein Patient, bei denen das nicht erfolgt.

 

Wie handhaben Sie das im Klinikum Leverkusen?

Wir bieten eine umfassende Beratung: Das beginnt mit der kompetenten Unterrichtung durch die behandelnden Ärzte und unser onkologisches Fachpflegepersonal, geht über eine enge psychoonkologische Betreuung und eine Ernährungsberatung über die frühzeitige Einbindung der Palliativmedizin bis hin zu Angeboten des Entlassmanagements für die Zeit nach der Entlassung.

 

Wie viele Krebspatient:innen behandeln Sie in Leverkusen?

Wir behandeln jährlich rund 2.000 Patient:innen mit den unterschiedlichsten Krebsarten. Schwerpunkte sind unter anderem Magen-, Bauchspeicheldrüsen- und Darmkrebs, Brustkrebs, Krebs der weiblichen Geschlechtsorgane, Lungenkrebs, Prostata-, Blasen- und Nierenkrebs sowie Leukämien und Lymphdrüsenkrebs. Für jeden dieser Bereiche sind ausgewiesene Spezialist:innen am Klinikum tätig.

 

Früher gingen die Therapien mit sehr starken Nebenwirkungen einher…

… die Verträglichkeit der klassischen Chemotherapie hat sich deutlich verbessert. Übelkeit kann man heute mit vier Substanzgruppen behandeln, von denen zwei bis vor ein paar Jahren noch nicht zur Verfügung standen. Auch gegen Nervenschäden und Haarausfall gibt es inzwischen sehr gute vorbeugende Methoden.

 

Wie sehen denn die Heilungschancen bei einer Krebserkrankung aus?

Die Krebssterblichkeitsrate nimmt langsam aber kontinuierlich ab, trotzdem sterben in Deutschland jährlich immer noch sehr viele Menschen an Krebs. Aktuell ist zu befürchten, dass durch geringere Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen während der Lockdowns einige Krebserkrankungen verspätet diagnostiziert werden. Beispielsweise sank die Zahl an Krebsvorsorgeuntersuchungen in der Zeit des Lockdowns für Brustkrebs z.T. um über 40%. Also: Gehen Sie zur Vorsorge!

 

Werden wir den Krebs in absehbarer Zeit besiegen?

Gänzlich besiegen nicht, aber Fortschritte in Diagnostik, Therapien und Medizintechnik werden die Heilungschancen weiter verbessern und die Therapien immer präziser, schonender und verträglicher machen.